Radiologie und Recht 06/2020

Radiologische Altersbestimmung – Rechtliche Zulässigkeit bei hinreichender Beachtung von Maßgaben

 

In verschiedenen behördlichen und strafrechtlichen Verfahren muss das Lebensalter von Personen festgestellt werden, um diese Verfahren rechtssicher durchführen zu können. Ärztliche Untersuchungen zur Feststellung des Alters von Flüchtlingen können auf Grundlage von § 49 Abs. 3 und 6 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und § 42 f Abs. 2 SGB VIII angeordnet werden. Ein bundeseinheitliches Verfahren zur Altersfeststellung ist dazu nicht verbindlich vorgegeben; dementsprechend wird das Lebensalter bundesweit auf unterschiedlichen Wegen bestimmt. Bei Vorliegen einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für Röntgenuntersuchungen ohne medizinische Indikation empfiehlt die internationale und interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik (AGFAD) für Altersbegutachtungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Kombination einer körperlichen Untersuchung mit Anamneseerhebung, einer Röntgenuntersuchung der Hand und einer zahnärztlichen Untersuchung mit Anfertigung eines Orthopantomogramms (Panoramaröntgenaufnahme der Kieferregion). 

Umstritten war in den letzten Jahren vor allem die Altersdiagnostik bei Flüchtlingen, deren Angabe, minderjährig zu sein, im Einzelfall zweifelhaft sein kann. Grund dafür kann sein, dass den Betroffenen ihr Geburtstag tatsächlich unbekannt ist und sie sich für minderjährig halten oder dass falsche Angaben in der nachvollziehbaren Hoffnung gemacht werden, Abschiebungen zu erschweren oder Eltern nach Deutschland zu holen. Jugendämter, aber auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), veranlassen deshalb unter anderem auch radiologische Untersuchungen zur Altersfeststellung. Deren Zulässigkeit wird zwar gelegentlich angezweifelt. Die Rechtsprechung teilt diese Bedenken jedoch nicht, wenn und soweit die rechtlichen Anforderungen für diese Altersdiagnostik, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, hinreichende Beachtung finden.

Grundlage für die Beauftragung medizinischer Altersgutachten bei Flüchtlingen durch das BAMF sind das Asylgesetz und die Richtlinie 2013/32 EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, die sogenannte Verfahrensrichtlinie. Nach § 24 Abs. 1 S. 1 AsylG hat das BAMF den Sachverhalt in einem Asylverfahren aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben habe. Insoweit besteht auch die Pflicht, sich über verfahrensrelevante Tatsachen in eigener Zuständigkeit Gewissheit zu verschaffen. Hierzu zählt auch die Aufklärung begründeter Zweifel am angegebenen Alter eines Antragstellers oder einer Antragstellerin. Art. 25 Abs. 5 der Verfahrensrichtlinie sieht für Fälle unklaren Alters für die Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit einer ärztlichen Untersuchung zur Altersbestimmung vor. Das BAMF holt vor der Altersfeststellung die Einwilligung der betroffenen Personen und ihres gesetzlichen Vertreters ein.

Das BAMF erwartet außerdem im Zusammenhang mit den medizinischen Gutachten ein auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhendes, abgestuftes Verfahren zur Altersfeststellung. Die Durchführung der verschiedenen Untersuchungsschritte soll nach dem Ermessen der durchführenden Ärzte abgeschlossen werden, sobald nach ihrer Einschätzung für die Erstellung eines Altersgutachtens hinreichend gesicherte Erkenntnisse gewonnen worden sind. Die Details zu den einzelnen Untersuchungen sollen den Betroffenen von den Ärzten jeweils vor Ort erläutert und die diesbezügliche Aufklärung sowie die Einwilligung zur Durchführung der einzelnen Maßnahmen im Gutachten dokumentiert werden.
 

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