Radiologie und Recht 04/2021

Anforderungen an den Facharztstandard bei fachgebietsfremder Tätigkeit

In Deutschland besteht für Patienten grundsätzlich das Recht auf freie Arztwahl. Dies führt nicht nur unter Ärzten derselben Fachgruppe, sondern auch fachgebietsübergreifend zu Konfliktsituationen. Wendet sich ein Patient aufgrund von Beschwerden, die bildgebende Diagnostik erforderlich machen, an einen Nicht-Radiologen bzw. einen sogenannten „Teilradiologen“, so ist dies aus Sicht des Radiologen, dessen Kernleistung die Erbringung dieser bildgebenden Diagnostik bildet, durchaus ein berufspolitisch relevantes Thema.

Zu den „Teilradiologen“ zählen verschiedene Facharztgruppen, darunter Orthopäden, Chirurgen, Angiologen, Kardiologen, Urologen oder Internisten. Sie erwerben im Rahmen Ihrer Facharztausbildung die sogenannte Fach- und Sachkunde, um Röntgenstrahlung am Menschen anwenden und infolgedessen konventionelle Röntgendiagnostik, durchführen zu dürfen. Im Gegensatz zu den Fachärzten für Radiologie haben Teilradiologen jedoch die in mehrfacher Hinsicht problematische Möglichkeit, sich Patienten, nach Stellung einer durch bildgebende Verfahren zu überprüfenden Verdachtsdiagnose, selbst zur bildgebenden Diagnostik zuzuweisen und diese mit eigenen Röntgengeräten durchzuführen.

Welche Facharztgruppe welche Leistungen nach erfolgter Weiterbildung erbringen darf, ist in der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer sowie in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Letztere sind für alle Angelegenheiten ärztlicher Weiterbildung als Körperschaften des Öffentlichen Rechts zuständig. Die von der Bundesärztekammer erarbeitete (Muster-)Weiterbildungsordnung hat für die Landesärztekammern rein empfehlenden Charakter.

Mit den abrechnungsrechtlichen Modalitäten haben sich sodann die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sowie die Sozialgerichtsbarkeit auseinanderzusetzen. Überschreitet ein Behandler durch eine Untersuchungsmaßnahme jedoch seine Weiterbildungskompetenz, sind die Zivilgerichte zuständig, um etwaige daraus resultierende Behandlungsfehler aus arzthaftungsrechtlicher Sicht zu überprüfen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, aus welchem Facharztstandard heraus das ärztliche Handeln zu überprüfen und zu bewerten ist.

Der Facharztstandard bestimmt sich grundsätzlich losgelöst von der formellen Ernennung zum Facharzt. Der Begriff beschreibt vielmehr die dem Patienten gegenüber geschuldete Sorgfalt im Rahmen der ärztlichen Behandlung. So kann auch bei einer Behandlung durch einen Nicht-Facharzt der Facharztstandard gewahrt sein, sofern dieser bei der Behandlung durch einen Facharzt angeleitet und überwacht wurde. Dabei muss sich der Facharztstandard gegenüber dem Patienten anhand objektiver Kriterien belegen lassen, hierzu zählen Protokolle über ausreichende Anzahl und Schwierigkeit der von dem Nicht-Facharzt bisher durchgeführten Behandlungen, Fortbildungen und Kontrollen sowie über den individuellen Ausbildungsstand.

Die Nichteinhaltung des Facharztstandards hat große haftungsrechtliche Konsequenzen: Das Vorliegen einer grob fehlerhaften Unterschreitung des Standards kann zu einer Umkehr der Beweislast in einem zivilrechtlichen Arzthaftungsprozess führen. Auch bei Vorliegen eines einfachen Befunderhebungsfehlers kann eine Beweislastumkehr eintreten, sofern Diagnose- oder Kontrollbefunde behandlungsfehlerhaft nicht – ggf. verspätet – erhoben bzw. gesichert wurden, die Erhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis erbracht und das Unterlassen einer Reaktion auf einen derartigen Befund sich als grober Behandlungsfehler – ggf. in Form eines fundamentalen Diagnosefehlers – dargestellt hätte (vgl. BGH, VersR 2011, 1148). Die Beweislastumkehr führt dazu, dass bei Komplikationen der medizinischen Behandlungsmaßnahme vermutet wird, dass diese auf einen unzureichenden Behandlungsstandard zurückzuführen sind. Sodann muss entgegen der sonst geltenden Beweislastverteilung nicht mehr der Patient beweisen, dass die Komplikationen auf ärztlichem Fehlverhalten beruhen, sondern es muss von ärztlicher Seite dargelegt und bewiesen werden, dass auch ein Facharzt der einschlägigen Facharztgruppe den Schaden nicht hätte vermeiden können. Damit begibt sich der jeweilige Behandler in die Defensive.

In unserem Beitrag legen wir ausführlich dar, welche Anforderungen an den Facharztstandard bei fachgebietsfremder Tätigkeit zu stellen sind und welche haftungsrechtlichen Konsequenzen sich aus einer Überschreitung der Fachgebietsgrenzen ergeben.

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